Haushaltsrede des Fraktionsvorsitzenden im Kreistag Diepholz

18.12.2017

Ausgangslage
Die Ausgangslage für die Bürger in unserem Landkreis ist zunächst einmal sehr gut. Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte liegt mit EUR 22 083 über dem Landesschnitt (Zahlen Ende 2016). Die Arbeitslosigkeit ist im November mit einer Arbeitslosenquote in Höhe von 3,9 Prozent auf dem niedrigsten Wert seit 2014 angelangt, die Unterbeschäftigung liegt bei bei 5,5 Prozent. Der prozentuale Wert erscheint insgesamt niedrig, absolut reden wir allerdings von 6.629 Personen. Schicksale lassen sich allerdings schlecht in Zahlen messen.
Die Schulden des Landkreises konnten in den vergangenen Jahren gesenkt werden. Dennoch fällt auf, daß die Aufwendungen in den Bereichen Soziales, Jugend, Schulen und Liegenschaften sowie Finanzen seit 2010 kontinuierlich gestiegen sind. Das funktioniert natürlich nur solange gut, wie es die entsprechenden Steuereinnahmen gibt. Warten wir die Ergebnisse der Koalitonsverhandlungen und ihre Auswirkungen im Bund ab.

Breitband
Einen Schwerpunkt in den kommenden Jahren stellen Maßnahmen zur Verbesserung der Breitbandinfrastruktur dar. Weder Unternehmen noch Provatpersonen noch Unternehmen wollen im Internet auf der Kriechspur bleiben. Und schon gar nicht wollen sie sehen, daß ihre Wettbewerber in den führenden Wirtschaftsnationen viel öfter auf die Überholspur gehen. Vielleicht ist es gut, daß wir nun doch zu einer (FTTB) – Lösung „Glasfaser bis zum Gebäude“ kommen. Diese Lösung ist zwar deutlich teurer, sie ist aber zukunftsfähig und ermöglicht höhere Einnahmen.

Krankenhäuser
Die Trennung von den Alexianern und die alleinige Übernahme des Klinikverbundes durch den Landkreis ist ein Schritt von großer Bedeutung. Bis zum Abschluß der Verhandlungen stehen allerdings beide Seiten, auch die Alexianer, in der Verantwortung. „Ein respektvoller, partnerschaftlicher und vom christlichen Grundverständnis geprägter Umgang mit den sich uns anvertrauenden Menschen ist dabei die Basis unserer Arbeit“ heißt es in der Unternehmensphilosopie der Alexianer. Wir erwarten, daß sich das in den Verhandlungen wiederspiegelt und unterstützen die Verhandlungsstrategie unseres Landrates.
Mit der Übernahme der Krankenhäuser mögen bereits einige Wunschzettel feststehen. Auch für uns steht der Wunsch nach Geburten im Landkreis Diepholz ganz oben. Aber es geht nicht alles und nicht alles auf einmal. Wir wissen, daß die Krankenhäuser auch Rahmenbedingungen unterliegen, die außerhalb des Landkreis Diepholz gesetzt werden. Die Übernahme ist für uns aber auch eine Chance, zu lernen und auf Defizite an anderen Ebenen hinzuweisen.

Jugend, Gesundheit und Soziales
Wenn ich in vergangenen Haushaltsplänen die Aufwendungen für den Fachbereich 3 zusammenrechne, komme ich in 2007 auf gut 127 Millionen. Heute sind es gut 231 Millionen. Und damit ein wesentlicher Bestandteil des gesamten Haushaltes. Vielleicht mögen die Zahlen nicht vollständig vergleichbar sein, aber die Richtung ist überdeutlich: Wir geben immer mehr Geld für den sozialen Bereich aus. Es handelt sich überwiegend um Leistungen auf gesetzlicher Basis. Und für den Landkreis handelt es sich überwiegend um Transferleistungen, die er erstattet bekommt. Egal welche Ebenene es letztlich trägt: alles war aus der Sicht eines Steuerzahlers einmal ein Teil des Unterschiedes zwischen Brutto und Netto.
Die Produkte dieses Fachbereiches sind umfangreich und unterschiedlich. Daß sie in immer größerem Umfang notwendig geworden sind, zeigt aber gesellschaftliche Probleme auf. Nur ein Beispiel: Lt. Plan 2018 werden 900 Bewilligungen beim Unterhaltsvorschuss erwartet. Da haben wir Fälle alleinerziehender Eltern, wo der andere Elternteil nicht zahlungswillig, nicht
leistungsfähig oder nicht bekannt ist. Was sagt das über Familienstrukturen aus?
Sozialleistungen können eine Hilfe in der Not sein. Sie können aber auch abhängig machen. Wer wegen jeder Kleinigkeit wie einer defekten Waschmaschine bei einem Amt versprochenen muß, dem wird immer wieder vor Augen geführt, daß er kein selbstbestimmtes Leben führt. Nicht für jeden ist das ein Problem. Aber ist das Idealbild in einer Demokratie nicht der selbstbestimmte Bürger? Das Römische Reich hat Brot und Spiele geboten. Wir haben Tiefkühlpizza und  Unterhaltungselektronik. Und was passiert, wenn die Einnahmen sich einmal in die andere Richtung entwickeln als die Ausgaben?
Aus diesen Entwicklungen gibt es nur eine Schlußfolgerung: Wir müssen versuchen, Bedürftigkeit zu verhindern oder zu beenden. Dazu gehört das gesamte Spektrum des Forderns und Förderns. Dazu gehört aber auch die Schaffung von Anreizen und die Unterstützung gesunder familiärer und sonstiger Strukturen. Wer ein gutes Umfeld hat, gleitet seltener in die
Bedürftigkeit ab. Aus diesem Grund freue ich mich, daß wir dazu heute mit dem Aktionskonzepte „Rein in den Verein“ und dem „Verbund familienfreundlicher Unternehmen im Landkreis Diepholz e.V.“ gute Ansätze auf der Tagesordnung haben, ohne daß sie explizit unter diesem Ziel stehen.
Unter dem Fachdienst 50 finden wir auch einen Teil der Kosten der seit 2015 andauernden Flüchtlingskrise wieder. Die Abgeltungspauschale für 2018 umfaßt den Aufwand für die Grundsicherung, Hilfen zur Gesundheit und Eingliederungshilfe. Wir reden hier von über 21 Millionen für durchschnittlich gut 2000 Menschen. Unter dem Fachdienst 51 finden wir knapp 7 Millionen
Aufwendungen für die Aufnahme und Versorgung unbegleiteter minderjährige Ausländische Kinder und Jugendliche. Das ist viel Geld für 110 Personen, bei denen man auch die Frage stellen kann, ob alle tatsächlich minderjährig sind.
Zusätzlich zu den gesetzlichen Leistungen haben wir freiwillige Leistungen des Landkreises für die Betreuung und Begleitung von Asylbewerbern, die Kurse bei der VHS und Vorhaltekosten für die Anmietung von Wohnungen in einer Höhe von fast 2 Millionen. Diese Instrumente waren eine flexible Reaktion zum Höhepunkt der Flüchtlingskrise. Wenn wir diese Instrumente heute ablehnen, dann aus einem Grund: Im Normallfall erhöhen Schutzmaßnahmen nicht das Eintrittsrisiko. Wo ein Deich gebaut wird, muß nicht öfter mit der Flut gerechnet werden. Da, wo die dauerhafte Strukturen für die Aufnahme einer großen Zahl von Flüchtlingen geschaffen werden, wird das Risiko größer, daß die Kanzlerin ihre Politik aus 2015 wiederholt. Nicht nur die früheren Richter am Bundesverfassungsgericht Udo Di Fabio und Hans-Jürgen Papier haben deren Politik „rechtswidrig“ genannt.

Zukunft des Kreises
Entscheidend für die Zunkunft wird sein, daß die Einwohner ihren Kreis lebenswert finden.Wie können wir junge Menschen nach ihrer Ausbildung oder ihrem Studium dazu bewegen, im Kreis bleiben oder wiederkommen? Wir können nur die Rahmenbedingungen schaffen. Duale Studiengänge wie an der phwt und ein schnelles Internet können ein Anreiz sein. Ein wichtiger Punkt ist aber auch, daß wir die Unsicherheit über das mögliche Wegbrechen wichtiger Strukturen wie Schule oder des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPVN) in ländlichen Regionen aufgrund des demographischen Wandels verringern müssen. Anders wäre es, wenn der Wille zur Ansiedlung von jungen Familien zum Beispiel in Form von Programmen wie „Jung kauf Alt“ sichtbar wäre.
Handeln müssen wir auch bei möglichen pflegebedürftigen Menschen. Im Pflegebericht 2017, der erste seit 2010!, wurden beispielsweise Mißverhältnisse zwischen den Zahlen von Pflegekräften und Pflegebedürftigen aufgezeigt. Ja, wir bekommen ein Pflegekompetenzzentrum, das ist gut. Zusätzliche Anreize, sein Umfeld so zu gestalten, daß man sein Leben so lange wie möglich eigenständig gestalten kann, sind ein weiterer Weg.
Das sind Punkte, wo der Kreis ein idealer Akteur (zusammen mit den Gemeinden) ist. Das ist in diesem Haushalt aber nicht mehr unterzubringen.
Solche Prozesse kann man auch nicht mit einem Änderungsantrag zum Haushalt einbringen.
Vielen ist gut in diesem Haushaltsentwurf, ich danke allen Beteiligten für die Erstellung, einiges fehlt uns noch, deshalb entscheiden wir uns heute für eine Ablehnung.
Ich freue mich auf gute Diskussionen im nächsten Jahr und wünsche Ihnen schon jetzt ein frohes Fest und einen guten Start in das Jahr 2018!

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